DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten

Straßenregeln

Wie sah es damals auf der Straße aus? Die Fahrbahn, nicht so breit und schön ausgebaut wie heute, gehörte in erster Linie dem Militär. In rasantem Tempo sausten die Jeeps um schwerfällige Armeelaster herum und um die Pferdefuhrwerke, mit denen die Bauern auf ihre Felder fuhren. Ja, die Bauern waren damals alle noch mit Fuhrwerken unterwegs. Fußgänger gingen neben der Straße, meist gab es dort einen holperigen Feldweg. Zu meiner Überraschung waren sehr viele Fußgänger unterwegs. Aber es waren ausschließlich Männer, entlassene Soldaten auf dem Weg nach Hause.

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Zweifel kommen auf

Die Bauern haben eigentlich nie besonders lange mit uns gesprochen. Dazu hatten sie zu viel Arbeit und es kamen ja Tag für Tag fremde Menschen auf ihren Hof, oft viele auf einmal. Aber hin und wieder fragte uns doch mal ein Bauer nach dem Woher und Wohin. Einer hat sich mal den ganzen Abend mit uns unterhalten. Mit dem Ergebnis, dass er uns schließlich anbot, bei ihm auf dem Hof zu bleiben und zu arbeiten. Nach Berlin zu gehen, was ja unser eigentliches Ziel war, das hielt er für keine gute Idee. Er erzählte viel über den Endkampf um Berlin, alles sei zerstört ...

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Auf und ab

Unser Weg führte uns von Kemnath über Bayreuth, Kulmbach, Kronach, Ludwigstadt, Saalfeld, Rudolstadt nach Blankenhain. Ein Großteil dieses Weges führte leider durch den östlichen Teil des Frankenwalds, einen Teil des Thüringer Waldes. Eine landschaftlich sehr schöne Gegend, aber leider eben auch ein Mittelgebirge. Etwa bis Kronach ging es noch, da war die Gegend nur recht hügelig. Aber danach ging es bis Saalfeld fast nur bergauf. Das war eine rechte Strapaze.

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Wieder in Weimar

Nach einer gar nicht langen Fahrt hielt der Zug in Weimar und ich stieg aus. Vom Bahnhof aus war nicht zu sehen, ob in der Stadt viel zerstört war. Eigentlich sah alles ganz normal aus. Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich auf den letzten Rest des Weges. Der Weg vom Bahnhof zu meiner Oma war nicht weit. Höchstens 20 Minuten. Die Häuser standen noch alle, mir fiel ein Stein vom Herzen. Trotzdem wurde ich immer langsamer. Was würde meine Oma sagen, wenn ich plötzlich vor ihr in der Tür stehe?

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Buchenwald

Am nächsten Morgen war es wieder nichts mit ausschlafen. Ich musste ja schon um sieben Uhr vor der Post sein, um ins Lager Buchenwald zu fahren. Meine Tante weckte mich, es gab ein schnelles Frühstück und dann machte ich mich auf den Weg hinunter in die Stadt. Doch bevor ich ging, wurde ich noch ermahnt: Wenn du auf dem Weg in die Stadt die Männer in den weißen Anzügen triffst, dann geh am besten auf die andere Straßenseite oder zumindest auf den Fahrdamm. Natürlich hatte ich Fragen dazu, doch meine Tante schob mich schnell aus der Tür, meinte, ich müsse los. Sagte aber auch, es sei eher unwahrscheinlich, dass ich sie treffe. Es wäre noch zu früh.

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Erbsen

Aber als wir bei der Stelle für die Lebensmittelkarten waren, hielt Weimar schon wieder eine neue Überraschung für mich bereit. Zwar bekam ich jetzt meine Lebensmittelkarten, aber auch wieder eine Auflage: Ernteeinsatz. Und zwar schon gleich morgen früh. Nahmen die Überraschungen denn gar kein Ende? Ich wollte mich doch so gerne einmal ausschlafen. Aber daraus sollte wohl in der nächsten Zeit nichts werden. Allerdings bekam ich dafür, dass ich bei der Ernte half, eine höhere Lebensmittelkarte. Und das war ja auch nicht schlecht.

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Mutter ist da

Mein Tage waren so ausgefüllt, dass ich gar nicht darüber nachdachte, wann ich wohl wieder nach Berlin komme. Die Gedanken waren schon da, nur mochte ich mich nicht so recht damit beschäftigen. Ich wusste ja nicht mal, ob ich überhaupt noch eine Familie in Berlin hatte. Es gab keine Post, kein Telefon, keine Zeitung. Niemand konnte mir etwas darüber sagen, wie es in Berlin aussah. Und was durchziehende Flüchtlinge oder entlassene Soldaten über den Endkampf in Berlin erzählten, das ließ einem das Herz in die Hose rutschen. Es hörte sich schrecklich an. Schrecklich hoffnungslos.

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Zugige Heimfahrt

Die Ankunft meiner Mutter war für die gesamte Weimarer Verwandtschaft eine freudige Überraschung. Bis dahin hatte niemand gewusst, wie es den Berlinern ergangen war. Nun erfuhren sie, dass doch die ganze Familie den Krieg verhältnismäßig gut, zumindest lebend - überstanden hatte. Es gab viel zu erzählen und wir saßen oft in großer Runde zusammen. Dafür war einige Tage Zeit, denn ich musste sowieso noch bis zum Ende der Woche arbeiten. Und meine Mutter wollte sich auch einige Tage erholen, die Fahrt war wohl sehr anstrengend gewesen. Am Samstag ging ich mich dann ordnungsgemäß abmelden, damit ich auch in Berlin wieder eine Lebensmittelkarte bekommen würde.

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