DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten

Vorwort der Autorin

Warum schreibe ich diesen Text?

Eine gute Frage.

Den Anstoß dazu, mich mit diesem Thema zu befassen, gab mir mein Enkel. Das ist schon eine Weile her. Genauer gesagt, war es im Herbst 1995. Da rief er mich eines Tages an. Wir plauderten eine Weile, bis er plötzlich mit dem eigentlichen Grund seines Anrufes herausplatzte: „Oma, kannst Du mir etwas über den Krieg erzählen? Wir müssen in der Schule eine Arbeit darüber schreiben. Und unser Lehrer hat gesagt, dass wir unsere Großeltern fragen sollen. Denn die waren Zeitzeugen.“

Da war ich natürlich sehr überrascht. Was sollte ich ihm erzählen? Wo anfangen? Das war ja ein Thema, wo es viele Einstiegsmöglichkeiten gab. Ich fragte ihn also erst einmal, was sie denn schon in der Schule durchgenommen hatten. Aber er wollte persönliche Erfahrungen. Die kleinen, individuellen Erlebnisse. Nicht so etwas, wie man in der Schule lernt. Nun gut, ich würde es versuchen. Auf meine Frage, wie viel Zeit ich dazu hätte, druckste er etwas herum. Eigentlich keine. Denn heute war Dienstag und am Freitag brauchte er es bereits. Ich versprach ihm, mich sofort hinzusetzen und ihm etwas aufzuschreiben.

Das habe ich dann auch getan. Was mir gerade einfiel. Es lag ja alles schon 50 Jahre und mehr zurück. Da dauert es schon eine Weile, bis man sich an Einzelheiten erinnert. Den Brief habe ich jedenfalls zeitig genug abgeschickt. Und er war wohl auch zufrieden damit. Aber so nach und nach fiel mir immer mehr dazu ein. Und in Gedanken befasste ich mich immer öfter mit diesem Thema. Irgendwann begann ich dann damit, diese Gedanken zu notieren. Dabei trieb mich auch etwas an, dass mir schon bei seinem Anruf bewusst geworden war: Dass ich nämlich auf diese Frage fünfzig Jahre gewartet hatte. In all diesen Jahren hat mich nie jemand gefragt, wie es mir im Krieg ergangen ist.

Vielleicht ist das normal. Ich weiß es nicht. Zuerst musste man ja vor allem irgendwie zurechtkommen. Dann der Wiederaufbau. Es schien viel wichtiger zu sein, nach vorne zu schauen, als zurück. Und das ist doch auch verständlich, es waren furchtbare Zeiten.

Aber vielleicht ist jetzt die Zeit, davon zu erzählen. Und deshalb schreibe ich jetzt meine Erinnerungen aus der Kriegszeit auf, so lange ich es noch kann.