Auf und ab
Anfang Juni 1945
Unser Weg führte uns von Kemnath über Bayreuth, Kulmbach, Kronach, Ludwigstadt, Saalfeld, Rudolstadt nach Blankenhain. Ein Großteil dieses Weges führte leider durch den östlichen Teil des Frankenwalds, einen Teil des Thüringer Waldes. Eine landschaftlich sehr schöne Gegend, aber leider eben auch ein Mittelgebirge. Etwa bis Kronach ging es noch, da war die Gegend nur recht hügelig. Aber danach ging es bis Saalfeld fast nur bergauf. Das war eine rechte Strapaze.
(Hier gibt es bei Google Maps eine Karte mit den Stationen der Reise ...)
Zu allem Überfluss war mir ein Schuh kaputtgegangen, die Naht zwischen Vorder- und Hinterteil hatte sich gelöst. Ich band die beiden Teile notdürftig mit einem Stück Strippe zusammen, aber das hielt nicht besonders gut und schmerzte noch zusätzlich. Außerdem war es sehr warm und mein doch ganz schön schwerer Rucksack drückte überall. Die Aktentasche, die ich schon längst nicht mehr in der Hand trug sondern mit meinem Mantelgürtel an den Trägern des Rucksacks festgebunden hatte, behinderte mich zusätzlich. Und meine Beine waren so geschwollen, dass die Knöchel schon gar nicht mehr zu sehen waren. Elefantenstampfer. Aber meinen Begleiterinnen ging es auch nicht besser.
Wir warteten sehnsüchtig darauf, die höchste Stelle zu erreichen, damit es endlich bergab ginge. Doch als es dann so weit war, waren wir auch nicht glücklich. Es ging so steil nach unten, dass wir noch größere Schwierigkeiten hatten als beim Anstieg. Erst ab Rudolstadt wurde es besser. Da war der Weg dann fast eben. Als wir in Blankenhain eintrafen erfuhren wir, dass von hier sogar schon wieder die Bahn fuhr. Eine wunderbare Vorstellung, wir würden vorankommen, ohne zu laufen. Und da es bis zu unserem Ziel auch gar nicht mehr so weit war, reichte unser Geld sogar für die Fahrkarten.
Hier in Blankenhain trennten sich dann unsere Wege. Ursel und Rita fuhren nach Erfurt, ich wartete auf den Zug nach Weimar. Im Bahnhof auf einer Bank sitzen, den Rucksack neben mir und nicht auf dem Rücken und nur noch eine kurze Bahnfahrt von meiner Familie entfernt - das war ein großes Glücksgefühl. Aber im Zug kam dann auch der Gedanke auf: was würde mich in Weimar erwarten? Es war ein Jahr her, seit ich die Stadt verlassen hatte. War viel zerstört worden? Aber vor allem anderen war die große Frage: Lebte meine Oma noch? Mein Cousin Peter? Und all meine anderen Verwandten?