DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten
Eine sehr breite Gartenansicht: viele Bäume, von denen man aber meist nicht die Kronen sieht, ein violett blühender Rhododendron und ein moosbedeckter Boden, auf dem sich Schattenflächen mit Sonnenflecken abwechseln. Im Hintergrund ein sehr langer Zaun aus schrägstehenden Holzbrettern, dahinter wieder weitere Bäume. Insgesamt eine sehr grüne Ansicht.

Blauer Brief

Ich habe meine Papiertonne an die Straße gestellt und sehe, dass mein Nachbar das zufällig auch gerade tut. Also gehe ich zu ihm. Wir plaudern ein wenig übers Wetter, da fällt ihm etwas ein. »Einen Moment«, sagt er. Geht zu seinem Briefkasten, nimmt etwas heraus und kommt zurück. Er öffnet den Deckel der Tonne, um die Sachen hineinzuwerfen - scheinbar Werbung - da sehe ich ein vertrautes Blau zwischen den Papieren.

»Wart mal«, sage ich. Greife nach dem Flyer und halte ihn ihm hin. »Hast du den gar nicht gelesen?«, frage ich.

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Neue Schuhe

Langsam kam der Herbst, die nasse Jahreszeit. Da merkte ich, dass meine Schuhe für dieses Wetter nicht geeignet waren. Es waren immer noch diejenigen, die meine Tante in Weimar für Erbsen eingetauscht hatte. Sie hatten mir bisher gute Dienste geleistet, aber sie hatten eine sehr dünne Sohle und nun, bei Regenwetter, hatte ich ständig nasse Füße. Wie sollte das erst werden wenn Schnee lag?
Aber solche Gedanken waren nutzlos: Ich hatte keine Wahl, es gab keine Schuhe zu kaufen.

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Schuldenfrei

Hallo mein Alter,
gestern kam ein junger Mann, Pa'Ula habe ich ihn früher immer genannt, mal wieder nach Hause. Er hat vor ein paar Monaten eine Ausbildung begonnen und das ist in der Uckermark, also genau auf der anderen Seite Berlins. Ein weiter Weg. Als ich mit ihm sprach, fiel mir etwas Sonderbares auf. Aber vor allem fiel mir die Geschichte über seinen Namen wieder ein. Und beides erzähle ich dir heute.

Er kam mit seinem Vater vor ... na, so zwölf oder dreizehn Jahren zu uns. Da war er drei und sie hatten schon über zwei Jahre in Flüchtlingscamps gelebt. Dann kamen sie irgendwie zu uns. Und sie blieben.

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#6 Notizblock

Der Meister hatte seit einiger Zeit den Eindruck, dass immer irgendeiner der Schüler alles aufschrieb was er sagte. Derjenige beteiligte sich dann nicht an den Gesprächen, sondern war einzig mit Schreiben beschäftigt.

Der Meister wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Offensichtlich hatten sie sich verabredet seine Worte festzuhalten. Aber wozu? Wenn sie eine Frage hatten, konnten sie sich doch jederzeit an ihn wenden. Dann wurde ihm bewusst, wie alt er war. Natürlich! Sie wollten für die Zeit vorsorgen, wo sie ihn eben nicht mehr fragen konnten.

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Lesezeichen

„Hast du gehört? Die Buchstabenmenschen wollen jetzt gelesen werden.“

„Du sprichst wie immer in Rätseln“, sagt mein Nachbar kopfschüttelnd. „Buchstabenmenschen? Gelesen? ... Wobei, natürlich liest man Buchstaben ... aber was sind Buchstabenmenschen?“

„Na du weißt schon“, sage ich. „Diese Q, B, L ... Ach, was weiß ich, diese Genderfuzzis eben.“

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Essen bleibt knapp

An der Lebensmittelsituation änderte sich durch das Kriegsende nichts, vielleicht wurde es sogar noch etwas schlimmer. Lebensmittel gab es nach wie vor nur auf Karten und die Rationen waren sehr knapp bemessen. Jeder, der irgendwie die Möglichkeit dazu hatte, versuchte deshalb Lebensmittel auf irgendwelchen anderen Wegen zu ergattern, ohne Karte. Dazu gab es für die meisten Menschen vor allem zwei Möglichkeiten: Den Schwarzmarkt oder etwas direkt bei den Bauern kaufen. Beides war verboten, wurde aber natürlich trotzdem gemacht. Die Fahrt aufs Land, zu den Bauern, wurde 'Hamsterfahrt' genannt, das Kaufen bei den Bauern (besser gesagt: das Tauschen) 'Hamstern'. Wobei ich das nie verstand: Es ging dabei doch nicht darum Vorräte anzulegen, wie ein Hamster, sondern jetzt direkt etwas zu Essen zu bekommen.

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Verschüttet

Hallo mein Alter,
letztens kamen ein paar der älteren Kinder zu mir, na ja, eigentlich muss man wohl Jugendliche sagen. Jedenfalls bearbeiten sie in der Schule gerade den jahrzehntelangen Nicht-Ausstieg aus den fossilen Energien, ihre Gruppe macht was zur Kohle. Dazu wollten sie von mir irgendwas hören - nur habe ich mich um so was ja nie gekümmert. Deshalb ...

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#5 Lernerfolg

Dass er als Lehrer so wenig vermochte, betrübte den Meister. Er hatte den Eindruck, seinen Lebenssinn verfehlt zu haben, seiner Bestimmung nicht gerecht geworden zu sein.

Nun ja, das war nicht wortwörtlich was er dachte. Er glaubte nicht an so etwas wie eine Bestimmung und wusste auch von keinem Sinn des Lebens. Er hielt sich an die Dinge die er wusste und so wie er es sah, wurde man geboren, lebte und starb irgendwann. Und während man lebte versuchte man kein opulitato zu sein ...

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