Klimageld
Es ist schon wieder viel zu lange her, dass ich dir schreibe, dabei gibt es soviel Berichtenswertes. Tatsächlich weiß ich oft gar nicht wo ich anfangen soll. Was dich aber bestimmt begeistert hätte, ist die Erdmark, unser Klimageld. Du hast dir ja immer diese merkwürdigen Gedanken ums Geld gemacht … da würde ich gerne hören, was du über die Erdmark denkst – naja, geht eben nicht. Ich erzähl’s dir trotzdem.
Man muss dazu sagen, dass diese Idee noch in den Kinderschuhen steckt. Und obwohl das Klimageld bei uns nun schon einige Jahre verwendet wird, ändert sich immer mal wieder etwas an den Rahmenbedingungen.
Wie fange ich denn nun am besten an? Na, ich beginne einfach am Anfang. Da war das Problem, dass der Ausstoß von Klimagasen (also CO2, Methan usw. – brauche ich dir ja nicht erklären …) schnell und drastisch begrenzt werden musste. Andererseits war klar, dass es einen gewissen Ausstoß immer geben würde und man war sich auch einig, dass es sozusagen ein Grundrecht aller Menschen gab, einen fairen Anteil der Atmosphäre für sich zu nutzen.
Nun gab es ja schon lange den Handel mit CO2-Zertifikaten – wir hatten mittlerweile aber gelernt, dass der zur Lösung des Problems praktisch nichts beitrug. Auch sogenannte CO2-Preisaufschläge, zum Beispiel bei Benzin, hatten sich nicht wirklich bewährt. Die eigentliche Aufgabe war es ja, die Emission zu begrenzen. Aber wer genug Geld hatte, konnte ja weiterhin soviel CO2 in die Luft pusten wie er wollte.
Allen war klar, all die Probleme vor denen wir als Menschheit heute stehen, rühren daher, dass wir ungefähr hundertfünfzig Jahre lang die Ressourcen der Erde vollkommen rücksichtslos ausgebeutet haben – weil sie nichts kosteten. Erze liegen im Boden, es macht Arbeit sie zu fördern, aber sie sind einfach da. Das Meer ist voller Fische, also hole ich sie raus. Meine Abgase gehen durch den Schornstein und dann bin ich sie los. Die Atmosphäre war die kostenlose Müllkippe für Gase aller Art.
Und natürlich, die Erde will von uns auch gar kein Geld. Aber sie will, dass wir mit ihren Ressourcen vernünftig umgehen. Und vernünftig bedeutet, maximal soviel verwenden, dass das Gesamtsystem nicht leidet und sich problemlos selbst regenerieren kann.
Und um das im Wirtschaftsleben (das es ja immer noch gibt) irgendwie abzubilden, braucht es eine Verrechnungseinheit. Wie Geld. Aber eben nicht das normale Geld. Da haben wir ja schon gesehen, das funktioniert nicht.
Hier kommt jetzt das Klimageld ins Spiel.
Die Klimaforscher wussten ja schon immer ganz genau, wieviele Tonnen Klimagase wir ausstoßen können, ohne dass es Probleme gibt. Natürlich gab es einige Jahre, da war diese Anzahl Null. Wie du weißt, kümmerte das niemanden. Sorry, ich schweife ab. Zurück zum Klimageld: Mit seiner Einführung wurde jedem Menschen auf der Welt zugestanden, jeden Monat eine bestimmte Menge CO2 zu emittieren.
Die Rechnung ist ganz einfach: Die Atmosphäre kann momentan so und so viele Gigatonnen CO2 aufnehmen und es gibt so und so viele Menschen auf der Welt. Durch einfache Bruchrechnung kommt man auf einen Wert (naja, tatsächlich ist es sicherlich ziemlich kompliziert – aber im Prinzip). Dieser Wert wird in einen handhabbaren Währungswert umgerechnet. Und der repräsentiert dann das CO2-Guthaben pro Kopf der Weltbevölkerung dieses Monats.
Dieses Guthaben steht jedem Menschen an jedem Monatsanfang automatisch zur Verfügung.
Ich lasse jetzt mal die Geschichte der Verbreitung über die Länder der Welt und alles technische aus (das verstehe ich sowieso nicht) und beschreibe einfach mal das Prinzip.
Der Trick ist nämlich, dass jetzt jeder Preis aus zwei Teilen besteht: Der eine (immer noch in Euro übrigens) ist der Arbeitspreis, der andere ist der Klimapreis. Praktisch jedes Produkt hat durch seine Erzeugung oder seinen Gebrauch unweigerlich zumindest einen kleinen Klimafußabdruck. Bei einem Brot sind das nur Bruchteile eines Klimacents, bei einem Kanister Benzin (ja, gibt es immer noch) natürlich viel mehr.
Das geniale an der Idee ist: du kannst den Klimapreis nicht durch normales Geld begleichen. Geht nicht. Du musst ihn in Erdmark zahlen. Das führt dazu, dass jeder sehr genau darauf achtet, wofür er sein Klimaguthaben ausgibt. Du glaubst nicht, wie man hin und her überlegt, ob man die Motorsäge anschmeißt, wenn man weiß, dass man für Öl und Benzin richtig tief in den Klimageldbeutel greifen muss. Da nimmt man doch eher die Bügelsäge oder die Axt.
Natürlich kann man auch Guthaben ansparen, muss man sogar. Sonst hat man keine Chance, jemals irgendein Fahrzeug zu kaufen oder eine Reise zu machen. Und das schöne ist: das gilt genauso für die ganz Reichen. Auch sie haben nicht mehr Klimageld als alle anderen. Es ist ja etwas, das es pro Kopf gibt.
Anfangs dachte ich, dass das nicht funktionieren kann, denn letztlich würde doch auch das Klimageld bei den Reichen landen. Schließlich fördern sie zum Beispiel die Rohstoffe, für die alle anderen ja Klimageld bezahlen müssen.
Aber so funktioniert es nicht. Es würde ja auch gar keinen Sinn machen, wenn dieses Geld dauerhaft in Gebrauch bliebe, also immer wieder verwendet werden könnte.
Wie es genau gemacht wird, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber das in einem Monat ausgegebene Guthaben repräsentiert ja – mehr oder weniger genau – die Emissionen dieses Monats. Und diese Emissionen gibt es ja. Also muss dieses Klimageld wieder verschwinden. So wie ich es verstehe, macht das der Staat, in dem er von allen Produzenten im entsprechenden Maße Steuern in Klimageld erhebt. Und dieses Geld wird dann gelöscht (ist ja sowieso alles nur digital vorhanden).
Einer meiner Enkel hat mal versucht es mir zu erklären. Er sagte, es sei eine von ganz wenigen Anwendungen, wo sich tatsächlich mal ein ziemlich altes Konzept namens Bockchain (oder so ähnlich) bewährt habe. Es würde gewährleisten, dass man – wenn man das wollte – für jede Erdmark nachvollziehen könne, wann sie entstanden ist und wann sie wieder gelöscht wurde. Und auch alles, was sie dazwischen erlebt hat.
Wie auch immer, die jungen Leute trauen der Sache, es scheint gut zu funktionieren und ich habe noch nichts von irgendwelchem Missbrauch gehört.
Es gibt übrigens die Vermutung, das noch als letztes, dass es unter anderem mit dem Klimageld zu tun hat, dass es viel, viel weniger Verbrechen gibt. Unredlich erworbenes Geld nützt einem nämlich nur in dem Maße etwas, wie man auch Klimageld hat.
Soweit erstmal für heute. Es ist furchtbar heiß und ich bin sehr müde.
Bis bald