DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten

Neue Schuhe

Langsam kam der Herbst, die nasse Jahreszeit. Da merkte ich, dass meine Schuhe für dieses Wetter nicht geeignet waren. Es waren immer noch diejenigen, die meine Tante in Weimar für Erbsen eingetauscht hatte. Sie hatten mir bisher gute Dienste geleistet, aber sie hatten eine sehr dünne Sohle und nun, bei Regenwetter, hatte ich ständig nasse Füße. Wie sollte das erst werden wenn Schnee lag?
Aber solche Gedanken waren nutzlos: Ich hatte keine Wahl, es gab keine Schuhe zu kaufen.

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Essen bleibt knapp

An der Lebensmittelsituation änderte sich durch das Kriegsende nichts, vielleicht wurde es sogar noch etwas schlimmer. Lebensmittel gab es nach wie vor nur auf Karten und die Rationen waren sehr knapp bemessen. Jeder, der irgendwie die Möglichkeit dazu hatte, versuchte deshalb Lebensmittel auf irgendwelchen anderen Wegen zu ergattern, ohne Karte. Dazu gab es für die meisten Menschen vor allem zwei Möglichkeiten: Den Schwarzmarkt oder etwas direkt bei den Bauern kaufen. Beides war verboten, wurde aber natürlich trotzdem gemacht. Die Fahrt aufs Land, zu den Bauern, wurde 'Hamsterfahrt' genannt, das Kaufen bei den Bauern (besser gesagt: das Tauschen) an sich 'Hamstern'. Wobei ich das nie verstand: Es ging dabei doch nicht darum Vorräte anzulegen, wie ein Hamster, sondern jetzt direkt etwas zu Essen zu bekommen.

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Schule ohne Bücher

Jetzt war ich endlich wieder zu Hause, worauf ich mich so gefreut hatte, aber es war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Wir hausten in diesem einen Zimmer und das Leben im zerstörten Berlin war wirklich nicht leicht. So etwas wie die von früher gewohnte Normalität gab es nicht mehr. Wobei, Ende August kam doch ein Stückchen Normalität zurück in mein Leben: Die Schule begann.

Schule, das hatte ich beinahe vergessen. Während früher, noch vor einem halben Jahr, die Schule das Allerwichtigste für uns gewesen war, hatte ich nun schon lange nicht mehr an sie gedacht. Aber es gab sie noch und sie begann wieder.

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Wieder zu Hause

Ich war wieder in Berlin und damit ist die Geschichte meiner Kriegserlebnisse hier eigentlich zu Ende. All die Sorgen der letzten Jahre waren vergessen. Unsere Familie hatte den Krieg scheinbar recht gut überstanden, alle waren am Leben. Und wir waren wohl auch nicht ausgebombt, das hätte meine Mutter mir sonst sicher erzählt.

Ich weiß noch, dass ich, auf dem Boden Berlins stehend, sehr glücklich war. Ich war wieder zuhause und das Schlimmste lag hinter uns. Von nun würde alles besser werden. Ich blickte sehr optimistisch in die Zukunft.

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Zugige Heimfahrt

Die Ankunft meiner Mutter war für die gesamte Weimarer Verwandtschaft eine freudige Überraschung. Bis dahin hatte niemand gewusst, wie es den Berlinern ergangen war. Nun erfuhren sie, dass doch die ganze Familie den Krieg verhältnismäßig gut, zumindest lebend - überstanden hatte. Es gab viel zu erzählen und wir saßen oft in großer Runde zusammen. Dafür war einige Tage Zeit, denn ich musste sowieso noch bis zum Ende der Woche arbeiten. Und meine Mutter wollte sich auch einige Tage erholen, die Fahrt war wohl sehr anstrengend gewesen. Am Samstag ging ich mich dann ordnungsgemäß abmelden, damit ich auch in Berlin wieder eine Lebensmittelkarte bekommen würde.

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Mutter ist da

Mein Tage waren so ausgefüllt, dass ich gar nicht darüber nachdachte, wann ich wohl wieder nach Berlin komme. Die Gedanken waren schon da, nur mochte ich mich nicht so recht damit beschäftigen. Ich wusste ja nicht mal, ob ich überhaupt noch eine Familie in Berlin hatte. Es gab keine Post, kein Telefon, keine Zeitung. Niemand konnte mir etwas darüber sagen, wie es in Berlin aussah. Und was durchziehende Flüchtlinge oder entlassene Soldaten über den Endkampf in Berlin erzählten, das ließ einem das Herz in die Hose rutschen. Es hörte sich schrecklich an. Schrecklich hoffnungslos.

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Erbsen

Aber als wir bei der Stelle für die Lebensmittelkarten waren, hielt Weimar schon wieder eine neue Überraschung für mich bereit. Zwar bekam ich jetzt meine Lebensmittelkarten, aber auch wieder eine Auflage: Ernteeinsatz. Und zwar schon gleich morgen früh. Nahmen die Überraschungen denn gar kein Ende? Ich wollte mich doch so gerne einmal ausschlafen. Aber daraus sollte wohl in der nächsten Zeit nichts werden. Allerdings bekam ich dafür, dass ich bei der Ernte half, eine höhere Lebensmittelkarte. Und das war ja auch nicht schlecht.

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Buchenwald

Am nächsten Morgen war es wieder nichts mit ausschlafen. Ich musste ja schon um sieben Uhr vor der Post sein, um ins Lager Buchenwald zu fahren. Meine Tante weckte mich, es gab ein schnelles Frühstück und dann machte ich mich auf den Weg hinunter in die Stadt. Doch bevor ich ging, wurde ich noch ermahnt: Wenn du auf dem Weg in die Stadt die Männer in den weißen Anzügen triffst, dann geh am besten auf die andere Straßenseite oder zumindest auf den Fahrdamm. Natürlich hatte ich Fragen dazu, doch meine Tante schob mich schnell aus der Tür, meinte, ich müsse los. Sagte aber auch, es sei eher unwahrscheinlich, dass ich sie treffe. Es wäre noch zu früh.

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