DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten

Gemeine Clowns - Basics 2

Du hast da vorhin zwei Sachen gesagt, die find ich nicht richtig. Da wollt ich nochmal mit dir drüber reden.“

„Nur zwei?“, sagt mein Nachbar. „Da war bestimmt noch mehr Fragwürdiges dabei. Na, ich bin gespannt, schieß los.“

Ich lasse mir nochmal durch den Kopf gehen, was ich mir überlegt hatte und womit ich anfange. „Also das erste war, dass du davon gesprochen hast, wer in einer Gemeinschaft wirklich unverzichtbar ist“, sage ich. „Oder so“, schließe ich lahm.

„Hmm, ja“, sagt er, „klingt nach mir. Und was stimmt damit nicht?“

„Naja“, sage ich, „du meintest doch das ganze Land, also alle Menschen hier in Deutschland – da kann man doch nicht Gemeinschaft zu sagen. So wie ich das verstehe, ist eine Gemeinschaft doch eine Gruppe Leute, die irgendwie zusammengehört, irgendetwas gemeinsam hat, oder? Sich vielleicht sogar bewusst zusammenschließt. Mir fällt da Hofgemeinschaft oder Religionsgemeinschaft ein. Aber kann man das auch zu mehr als 80 Millionen Menschen sagen? Ich finde, das passt nicht.“

Er überlegt. „Ich glaube, du hast recht. Man könnte natürlich sagen, wir haben alle gemeinsam, dass wir Bundesbürger sind – aber damit hätte es sich auch schon. Nein, Gemeinschaft ist wohl das falsche Wort, wenn man über Deutschland redet.“

Ich nicke erfreut. Ich bin ganz überrascht, dass er mir direkt zustimmt. „Was ich mir noch überlegt habe“, sage ich, „ist, dass man in eine Gemeinschaft eigentlich auch ein- oder aussteigen können muss. Aber als Bürger eines Landes würde das ja zwangsläufig Auswanderung bedeuten … Kurz gesagt, deine Gemeinschaft passt nicht.“

„Ja“, sagt er, „du hast völlig recht. Da ist mal wieder der Sozialromantiker mit mir durchgegangen. Ich denke bei dem, was allen dient gerne ans Gemeinwohl – der Begriff gefällt mir außerordentlich. Und da liegt dann der Gedanke an Gemeinschaft halt nahe.“ Er betont jeweils ‚Gemein‘.

„Das verstehe ich“, sage ich.

„Aber da läge dann auch der furchtbare Begriff der Volksgemeinschaft ganz nahe, den die Rechten so gerne benutzen, und allein das spricht schon dagegen. Nee, nee“, sagt er, „Gemeinschaft streichen wir. Und was nehmen wir stattdessen?“

Das habe ich mir auch schon überlegt: „Na, sind wir nicht einfach eine Gesellschaft?“, frage ich. „So sagt man doch immer.“

„Stimmt“, sagt mein Nachbar. „Klingt zwar irgendwie nach GmbH, trifft aber den Nagel auf den Kopf: Eine Gruppe von Menschen, die durch bestimmte Regeln miteinander verbunden sind. Und außerdem ist es auch der gebräuchliche Begriff. Gut. Eins zu Null für dich.“ Er streckt einen Daumen nach oben. „Und, was ist das zweite?“

„Na ja“, sage ich, „du hast Präsident Trump einen Clown genannt …“

„Habe ich das ..?“

„Hmm“, nicke ich, „und das finde ich nicht richtig“.

„Da hast du recht, das ist mir wohl im Eifer so rausgerutscht.“

Ich nicke zufrieden. „Das freut mich, dass du das auch so siehst. Ehrlich gesagt, hatte ich da gar nicht mit gerechnet.“

„Nee“, sagt mein Nachbar, „Clown ist wirklich unangemessen. Schließlich ist das ein wirklich schwieriger Beruf, der nicht nur eine lange Ausbildung erfordert, sondern auch viel Geschick, Talent und die Bereitschaft ständig an sich zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. Und am allerwichtigsten natürlich: Ein Clown muss sich freuen, wenn andere über ihn lachen. Bei keinem dieser Punkte würde einem der derzeitige Präsident der USA einfallen – ich habe den Clowns dieser Welt da wirklich Unrecht getan.“

Mir steht der Mund offen. „… so hatte ich es eigentlich nicht gemeint“, sage ich schließlich.

„Ach so“, sagt er, „wie denn dann?“.

„Na, ich finde es nicht richtig, dass ihn immer alle als dumm bezeichnen – und ich glaube“, sage ich, „dass du das auch gemacht hast. Und das finde ich einfach nicht richtig. Man kann doch den Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht dumm nennen!“, ich schüttle vehement den Kopf.

„Nein“, sagt mein Nachbar, „das mache ich auch nicht. Ich glaube, dass er die geistige Reife eines verwöhnten Zwölfjährigen hat, aber dumm, nein, dumm ist er sicher nicht. Man wird nicht die mächtigste Person auf dem Planeten, wenn man dumm ist. Und es braucht sicher auch eine bestimmte Art Schläue, um ein ständig vor sich hin kollabierendes Immobilienunternehmen mit immer neuen Krediten am Leben zu erhalten. Kurz gesagt, ich kann dich beruhigen, ich halte Trump durchaus nicht für dumm.“

Ich muss wider meinen Willen lachen, „so wie du es sagst, wird es nicht wirklich besser“.

„Na ja“, sagt er, „ich sage es so, wie ich es sehe. Aber vielleicht liege ich natürlich völlig falsch. Vielleicht ist er ja der ‚very stable genius‘, als der er sich sieht. Allerdings ist das einzig geniale, das mir bei ihm bisher aufgefallen ist, seine Fähigkeit Tweets abzusetzen, die seine Anhängerschaft beglücken. Das macht er scheinbar großartig.“

„Scheinbar ist er auch sehr gut darin, andere gegen sich aufzubringen – dich zum Beispiel“, überlege ich laut.

„Da hast du recht“, sagt mein Nachbar überrascht. „Er kann doch zwei Sachen, kaum zu glauben …“, er schüttelt theatralisch den Kopf. „Tatsächlich ist er darin sogar ein wahrer Meister, er erinnert mich an …“, er schaut mich an. „Ich habe dir doch mal meine Asterixsammlung geliehen, erinnerst du dich?“

„Natürlich“, sage ich. „Vor allem erinnere ich mich daran, wie du mich zehn Mal ermahnt hast, ja vorsichtig damit zu sein.“

„Da gibt es in ‚Streit um Asterix‘ diesen kleinen Giftzwerg, der die Gabe hat, überall Streit zu säen – so ähnlich ist das mit Trump: Alles was er sagt, lässt die Menschen streiten. Seine Anhänger jubeln, seine Gegner schäumen.“

„Na ja“, sage ich, „dein Vergleich hinkt, ich glaube du musst das Album mal wieder lesen. Der Giftzwerg, er hieß übrigens Tullius Destructivus, sorgte zwar dafür, dass sich die anderen streiten, er selbst blieb aber völlig außen vor.“ Die Geschichte war mir noch gut im Gedächtnis, ich hatte damals nämlich einen Kollegen, der auch so ein begnadeter Unruhestifter war. Den nannte ich bei mir dann nur noch Tullius.

„Ich fürchte“, sagte mein Nachbar bedauernd, „ich muss dir schon wieder recht geben. Bei Trump ist natürlich alles auf ihn ausgerichtet. Die Menschen streiten zwar miteinander, aber es geht dabei immer um ihn.“ Er überlegt, „etwas anderes würde er allerdings auch gar nicht ertragen – dieser Mensch muss immer im Mittelpunkt stehen. Er würde gar nicht im Hintergrund bleiben wollen.“

„Aber wo du das so sagst“, fügt er nachdenklich an, „ein bisschen stimmt mein Spruch mit dem Clown dann doch: Schließlich, was macht ein Clown? Er unterhält sein Publikum. Er sucht sich Opfer und beschmeißt sie mit Torten – bei Trump sind es verbale Torten, die er den Leuten ins Gesicht klatscht. Er macht Witze über andere. Er sonnt sich übertrieben im johlenden Gelächter seines Publikums. Er übertreibt überhaupt alles. Er nimmt sich überdimensionale Projekte vor und scheitert an ihnen. Und,“, er macht eine dramatische Pause, „er zeigt nicht sein wahres Gesicht, er übertüncht es. Ja, so gesehen war meine spontane Äußerung vielleicht doch gar nicht ganz falsch.“

Da fällt mir nichts ein, was ich darauf entgegnen kann. Schließlich kenne ich Trump kaum. Ich finde nur, dass es sich nicht gehört, den Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Clown zu nennen. Habe aber die Vermutung, dass ich mit diesem Argument nicht durchkommen werde.

„Na gut“, sage ich. „Ein Punkt für mich, einer halbe-halbe, also Unentschieden, es bleibt beim Eins zu Null für mich. Der Punkt geht an den Herausforderer.“ Ich reiße die Arme nach oben.

„Du schaust eindeutig zu viel Sportschau“, sagt mein Nachbar – kopfschüttelnd, aber grinsend.