DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten

Erschöpft - Geldprobleme 3

Hast du eigentlich immer noch deine Geldprobleme?“

Mein Nachbar grinst. „Sie werden immer schlimmer. Ich hab mir sogar noch ein neues ausgedacht – willst du’s hören?“

„Aber klar“, sage ich. „Immer her damit.“

„Also“, fängt er an, „es heißt doch immer, dass die Bekämpfung der Klimakatastrophe so unglaublich teuer wird. Tausende Milliarden.“ Er schaut mich fragend an.

„Das ist jetzt aber nicht nett“, sage ich, „dass du deine doch ganz unterhaltsamen Geldprobleme mit der angeblichen Klimakatastrophe kombinierst. Ist das jetzt dein neuer Trick“, frage ich, „um mir das unterzujubeln?“

„Aber nein“, sagt er, „dabei ist es mir einfach eingefallen. Du kannst dir anstelle der Klimakatastrophe genauso gut irgendeine andere teure Sache ausdenken, Infrastrukturausbau, Atommüllentsorgung, Strukturförderung, Bildungsförderung – egal.“

„Okay“, sage ich.

„Also“, er holt tief Luft, „es heißt ja immer, das sei alles so teuer. Wenn wir das jetzt ausgeben, dann müssten unsere Kinder das später zurückzahlen und wir wollen denen doch nicht solche Schuldenberge hinterlassen“.

„Na klar“, sage ich. „Das Geld ist nicht da, also müssen wir es uns leihen und geliehenes Geld muss man irgendwann zurückzahlen. Mit Zinsen. Und da das so riesige Summen sind, bleiben die noch für unsere Kinder. Und die könnten das Erbe dann ja nicht ausschlagen, die Schulden sind halt da.“

„Genau, so sagt man. Und ich frage mich eben, ob das denn auch so stimmt.“ Er schaut mich entschuldigend an.

„Wieso?“, frage ich verständnislos. „Was kann denn da nicht stimmen?“

„Da muss ich jetzt ein bisschen ausholen“, sagt er und überlegt, „wie fange ich denn da an? … Na okay, wir müssen ziemlich weit unten beginnen: Was ist Geld eigentlich?“

„Das ist ne rhetorische Frage.“

„Korrekt. Geld ist ein Tauschmittel. Wir tauschen es gegen Sachen oder Leistungen ein, du kriegst dein Gehalt zum Beispiel für deine Arbeitsleistung. So weit klar, oder?“

„So weit klar“, bestätige ich.

„Und wenn der Staat sich jetzt vor irgendeiner großen Aufgabe sieht, sagen wir mal“, er überlegt, „die Bahn zu sanieren. Was ist dann dafür nötig?“

„Na, ein Haufen Geld. Um die Firmen zu bezahlen, die das dann machen.“ Ich schüttle verständnislos den Kopf.

Er wiegt den Kopf, „da warst du zu schnell. Erstmal geht es ja darum was nötig ist, damit das überhaupt passieren kann. Und das sind:“, er beginnt aufzuzählen, „Arbeitskräfte die das können, die Materialien, also Gleisanlagen, Oberleitungen und der ganze Kram, dann Loks und Waggons und so weiter. Und alles muss zum richtigen Zeitpunkt da sein, die Leute müssen Zeit haben, die Fabriken müssen Produktionskapazitäten haben und so weiter. Korrekt?“

„Schon“, sage ich.

„Und weil das ja ein riesiges Projekt ist, wird das jahrelang so gehen. Die Menschen können sich also darauf einstellen, dass sie lange damit beschäftigt sein werden, genauso die Fabriken.“

Ich nicke.

„Jetzt kommen wir zum Geld. Das brauchen wir, damit die Menschen ihre Miete, ihr Essen und alles andere bezahlen können. Damit die Fabriken Rohstoffe kaufen und ihre Lieferanten bezahlen können et cetera. Und natürlich soll für die Unternehmer am Ende auch ein Gewinn übrig bleiben. Und natürlich müssen alle Steuern bezahlen.“

„Also bisher konnt ich noch ganz gut folgen“, sage ich etwas spöttisch.

„Ja ja“, nickt er, „so weit ist das noch ganz einleuchtend. Interessant wird’s erst jetzt. Jetzt heißt es nämlich, dieses Geld muss sich der Staat leihen. Aber warum?“. Er schaut mich fragend an.

„Na, weil er es nicht hat. Wo soll es denn sonst herkommen?“

„Da, wo alles Geld herkommt. Von der Zentralbank. Früher wäre es die Bundesbank gewesen, aber jetzt ist es eben die Europäische Zentralbank. Staaten erschaffen Geld. Ein Staat kann einfach Geld drucken. Und heute braucht es nicht mal mehr das, nur ein Bruchteil allen Geldes ist Bargeld. Die Zentralbank kann also buchstäblich mit ein paar Mausklicks Milliarden erzeugen. Die stehen dann bereit, um alle Rechnungen zu bezahlen. Warum also Schulden machen?“

Jetzt wird es ja plötzlich doch noch spannend, denke ich. „Na, ich habe es so gelernt, dass, wenn ein Staat einfach Geld druckt, es zur Inflation kommt. Das Geld hat dann sozusagen keinen Gegenwert mehr, es ist wirklich nur noch Papier.“

Er nickt. „So sagt man. Aber muss das denn unbedingt so sein?“

„Keine Ahnung“, sage ich, „so habe ich es halt gelernt“.

„So wie ich es sehe“, sagt er, „gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder leiht sich der Staat das Geld. Dann kaufen Finanzinstitute, Pensionsfonds, Superreiche, aber auch Normalsterbliche langlaufende Staatsanleihen, kriegen während der Laufzeit regelmäßig Zinsen – momentan allerdings so gut wie keine – und irgendwann, wahrscheinlich nach 30 Jahren, bekommen sie die eingezahlte Summe zurück.“

Ich nicke.

Er fährt fort: „Irgendwelche Institutionen oder Menschen haben also Geld herumliegen, das sie dreißig Jahre lang entbehren können und von diesem Geld trennen sie sich. Wer sein Geld so anlegt, der sucht keine schnelle oder besonders hohe Rendite, sondern will sein Geld vor allem sicher untergebracht wissen. Stimmst du mir da zu?“

„Ja“, sage ich, „hört sich vernünftig an“.

„Man könnte jetzt vielleicht sogar soweit gehen zu sagen, dass er sein Geld eher in den Safe legen würde, als es in eine unsichere Anlage zu stecken. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass da Geld ins System gelangt, das sonst irgendwo außerhalb des eigentlichen Geldverkehrs still rumliegen würde.“

„Vielleicht“, sage ich. Ich habe keine Ahnung wohin das führen soll und habe auch schon etwas den Faden verloren.

„Gut“, sagt mein Nachbar, „das war also die eine Möglichkeit: Es kommt ein Haufen Geld ins System, der sonst nicht da wäre und damit bezahlen wir den Bahnausbau. In 30 Jahren zahlen wir es zurück und alles ist schick.“

„Wenn wir das Geld dann haben“, sage ich.

„Na, lass uns mal erstmal beim Hier und Heute bleiben. Ist schwierig genug.“

„Ist gut.“

„Jetzt die andere Möglichkeit: Der Staat erschafft das Geld einfach und saniert damit die Bahn. Anders ausgedrückt: es kommt ein Haufen Geld ins System, der vorher nicht da war und wir verwandeln ihn in ein funktionierendes Bahnnetz, in dem Züge womöglich sogar fahren können, wenn Schnee liegt oder die Temperaturen über 30°C liegen und in dem es funktionierende Toiletten und Bordbistros gibt. Fällt dir was auf?“. Er sieht mich an.

„Ja“, sage ich, „dass ich nicht glaube, dass ich das noch erleben werde“.

„Das meine ich nicht“, sagt er. „Sondern, dass sich die beiden Varianten kaum voneinander unterscheiden. Aber während bei der ersten angeblich alles in Ordnung ist, sollen bei der zweiten Inflation und Zusammenbruch der Wirtschaft drohen. Und das verstehe ich eben nicht.“

„Na weil, wenn der Staat einfach bei jeder sich bietenden Gelegenheit Geld druckt, dann gibt es zuviel davon und es wird immer weniger wert. Irgendwann ist dann Inflation. So ist es doch bei allen Sachen: Was knapp ist, ist teuer. Wenn’s plötzlich viel davon gibt, fällt der Preis.“ Das scheint mir doch sehr einfach zu sein.

Mein Nachbar überlegt. „Das ist ja interessant“, sagt er schließlich, „wie du Inflation siehst. Der Preis des Geldes – also sein Wert – fällt, weil es einen Überschuss davon gibt. Wirklich interessant.“ Dann wackelt er mit dem Kopf und ich weiß schon, dass jetzt wieder irgendwas kommt.

„Also“, hebt er an, „Inflation ist auch eine der Sachen, die ich nicht verstehe, aber mir scheint es sinnvoller, es andersherum zu sehen: Nicht der Wert des Geldes sinkt, sondern die Preise steigen.“

„Das kommt doch auf’s selbe raus“, sage ich verständnislos. „Ist doch egal, wie rum man das nun sieht.“

„Na ja“, sagt er, „man kann dann besser unterscheiden. Wenn du sagst, wir haben zum Beispiel 2% Inflationsrate. Dann heißt das ganz pauschal, jeder Euro ist nur noch 98 Cent wert. Und zwar für jeden. Egal was er macht und wo er lebt.“

„Genau.“

„Aber die Inflationsrate wird nach einem Warenkorb berechnet.“

„Hab ich auch schon mal gehört“, sage ich.

„Man gibt sich mit der Berechnung dieses Warenkorbs viel Mühe“, fährt er fort, „aber er trifft natürlich nicht auf alle Menschen gleich zu. Zum Beispiel machen die Ausgaben für’s Wohnen und Heizen darin etwa ein Drittel aus. Du und ich, wir zahlen aber gar keine Miete. Und unsere Häuser sind abbezahlt.“

„Hat auch lange genug gedauert“, sage ich.

„Das heißt aber, jemand der in einer beliebten Stadt wohnt, wo ständig die Miete steigt, kann tatsächlich mit der Zeit immer weniger von seinem Geld kaufen. Nach Abzug der Miete bleibt einfach weniger übrig. Das kann für jemand anderen ganz anders aussehen.“

„Und was heißt das jetzt?“

„Na ja, ich würde sagen, dass wir zum Beispiel in vielen Gegenden eine Mieten-Inflation haben. Die Mieten steigen. Alle Vermieter die ihre Häuser in erster Linie als Renditebringer sehen, nehmen was sie kriegen können. Sie erhöhen die Miete bei jeder Gelegenheit und bei Neuvermietungen sowieso. Und das können sie tun, weil Wohnungen knapp sind. Nicht, weil zuviel Geld da ist.“

„Klar“, sage ich.

„Inflation lässt sich also auch als Ansteigen der Preise beschreiben. Und Preise steigen bei Knappheit der betreffenden Güter, da hast du vorhin ganz recht gehabt.“

„Na immerhin“, sage ich. „Und was hat das nun mit dem Ausbau der Bahn zu tun?“

„Stimmt“, sagt mein Nachbar, „wie kriegen wir das jetzt zusammen?“. Er überlegt. „Ach ja. Es ging um deine Sorge, dass es zur Inflation kommt, wenn der Staat das Geld einfach erschafft. Weil dann zuviel Geld da ist. Und ich würde sagen: Ja, das würde dann stimmen, wenn die Kapazitäten nicht da wären. Wenn die Unternehmen ausgelastet wären und keine weiteren Waggons und Gleisanlagen bauen könnten. Wenn die benötigten Leute schon alle so viel zu tun hätten, wie sie gerade schaffen. Wenn der Staat dann käme und sagte „Wir müssen jetzt die Bahn bauen. Koste es was es wolle.“. Und er würde ohne Ende frisch gedrucktes Geld da hineinpumpen. Dann würden die Unternehmen sagen, „Gut, doppelter Preis. Dann machen wir das“. Dann wären die Kapazitäten das knappe Gut um das alle konkurrieren und die Preise würden steigen.“

„Hört sich nachvollziehbar an“, sage ich.

„Freut mich“, sagt er. „Wenn es sich tatsächlich so verhielte würde das aber auch bedeuten, dass der Staat ruhig Geld schöpfen und investieren kann, solange er dabei vorsichtig ist und die Möglichkeiten der Wirtschaft berücksichtigt. Das ist allerdings etwas, das ich der Politik nicht unbedingt zutrauen würde.“

„Aber von so einer Idee habe ich noch nie gehört“, sage ich. „Das klingt doch gut, warum wird das nicht mal versucht?“

„Keine Ahnung“, sagt mein Nachbar. „Wahrscheinlich weil’s nicht stimmt. Ich hab doch gesagt, dass ich Geld nicht verstehe.“