DINGS OHNE D

Dorfgespräche und andere Geschichten

Einflusslos

Ich plaudere mit meinem Nachbarn und als wir die Kapriolen des Herbstwetters ausführlich gewürdigt haben, komme ich doch mit dem raus, was mich schon eine Weile beschäftigt: „Sag mal, du meinst wirklich, dass wir Menschen Einfluss auf’s Klima haben? Ich meine, darum geht es doch scheinbar: Ob der Klimawandel menschengemacht ist oder nicht“, ich schaue ihn fragend an.

Er überlegt, „Na ja, manche Leute behaupten sogar, es gibt schon gar keine Erderwärmung. Die findet für die gar nicht statt. Da können die Gletscher schmelzen und der Permafrost tauen, egal. Aber als zweite Verteidigungslinie wird natürlich gerne auch angezweifelt, dass der Mensch irgendetwas damit zu tun hat – und das ist schon sonderbar.“

„Wieso?“, sage ich. Das ist ja genau was mich beschäftigt.

„Na, würdest du bezweifeln, dass wir ziemlich viele fossile Brennstoffe verbrauchen; also verbrennen?“

Ich schüttele den Kopf, „Nein, natürlich nicht. Darum geht es doch seit Jahren, dass uns bald das Erdöl ausgeht – also verbrauchen wir das wohl.“

„Genau“, sagt er. „Seit der Erfindung der Dampfmaschine verbrennen wir Sachen, um die darin gespeicherte Energie für uns nutzbar zu machen. Am Anfang Holz, Torf und Kohle, später dann vor allem Erdölprodukte und Gas.“

„Ja klar“, sage ich. So schlau bin ich auch.

„Unser heutiger Lebensstil und unser Wohlstand wären ohne diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Hunderte Millionen Autos in aller Welt, zehntausende Kraftwerke, alles verbrennt Öl, Gas oder Kohle. Offensichtlich sind das gigantische Mengen, oder? Ununterbrochen schippern Supertanker Öl oder Benzin über die Meere, durch riesige Pipelines strömt ständig Gas.“ Er schaut mich fragend an.

„Natürlich, das weiß doch jedes Kind.“ Ich verstehe nicht, was das soll.

„Und du weißt doch auch, wie Kohle, Öl und Erdgas entstanden sind, oder?“

„Na, so ungefähr: Das sind Lebewesen, also Pflanzen und Tiere, die vor Urzeiten lebten, starben und dann irgendwie zerdrückt wurden und daraus wurden dann Öl und Kohle.“

„Jaaaa“ sagt er gedehnt, „ungefähr so.“

„Aber dann ist das doch sozusagen ganz natürlicher Kohlenstoff? Der ist doch sowieso da. Wir, wie soll ich sagen, wir machen den doch nicht“, ich bin verwirrt.

Mein Nachbar schaut mich ein bisschen verzweifelt an, „Nein, wir machen den Kohlenstoff nicht. Er war so gut wie immer da und das wird auch so bleiben … deine Erinnerungen an den Biologie- und den Chemieunterricht sind aber nicht mehr so richtig lebendig, was?“

„Nö, war nie so meins.“ Mich schaudert’s schon bei der Erinnerung.

„Aber vielleicht weißt du noch, was denn hier und heute passiert, wenn, sagen wir mal ein Baum stirbt. Ein Baum besteht, wie alle Lebewesen, zu einem großen Teil aus Kohlenstoff.“

„Na, wir machen Bretter daraus.“

„Witzbold. Nein, sagen wir mal, er fällt im Wald um und niemand kümmert sich darum. Was passiert? Wird daraus auch irgendwann Kohle oder Öl?“

Ich überlege, „Nee, zersetzt der sich nicht irgendwie?“

„Sehr gut! Genau, er zersetzt sich oder besser gesagt, er wird zersetzt. Alle möglichen Tiere, vor allem Insekten, aber auch Pilze und Mikroorganismen verarbeiten ihn. Genauer gesagt, essen sie ihn auf. Sie bauen den Kohlenstoff des Baumes in ihren Körper ein – und ein Teil wird als CO2 ausgeatmet und gelangt so in die Atmosphäre.“

„Also sind die Insekten schuld am Klimawandel?“

„Manchmal weiß ich wirklich nicht, ob du mich auf den Arm nimmst oder nicht.“

„Sorry.“

„Okay. So, und die Insekten werden irgendwann auch gefressen und zersetzt und immer so weiter. So gelangt nach und nach der Kohlenstoff des Baums vollständig in die Atmosphäre. Aber woher hatte er seinen Kohlenstoff eigentlich?“

„Ja, woher denn?“, frage ich süffisant.

Er schaut mich zweifelnd an, „Na, wie du sehr wohl weißt, sind es die Pflanzen, die aus der Luft CO2 aufnehmen können, sich den Kohlenstoff davon nehmen (das C nämlich) und sich daraus aufbauen.“

„Photosynthese!“, sage ich stolz, „Weiß ich. Wenn man das in Bio brachte, hatte man immer schon mal einen Punkt.“

„Ausgezeichnet! Also die Pflanzen holen CO2 aus der Atmosphäre. Den Sauerstoff (das O) geben sie wieder ab, aber den Kohlenstoff behalten sie. Das ist der sogenannte Kohlenstoffkreislauf: Wenn die Pflanzen irgendwann von irgendwem gefressen werden, nimmt der ihren Kohlenstoff auf und der, der sie frisst, der atmet. Atmen heißt Sauerstoff rein, CO2 raus, eine Verbrennung im Körper sozusagen. Und so schließt sich der Kreis. Das CO2 ist wieder in der Atmosphäre.“

„Schön und gut, das wusste ich eigentlich schon auch. Aber waren wir nicht dabei, ob der Mensch das Klima ändert oder nicht?“

„Ja, da kommen wir gleich hin. Erstmal ging es ja um die Frage, ob aus dem umgefallenen Baum irgendwann Erdöl wird. Und jetzt haben wir rausgearbeitet, dass das nicht der Fall ist. Er wird aufgefressen und gelangt so nach und nach als CO2 wieder in die Atmosphäre.“

„Und ich dachte, Bäume wären gut für’s Klima …. – so kann man sich irren.“

„Du machst es einem wirklich nicht leicht.“

Ich grinse entschuldigend.

„Worauf ich hinaus will ist folgendes: Wenn wir uns auf die Verbrennung des auf der Erdoberfläche vorhandenen Kohlenstoffs beschränkten, hätten wir überhaupt kein Problem. Das wäre ein stabiler Kohlenstoffkreislauf, es würde sich nichts in der Atmosphäre anreichern, weil es von den Pflanzen wieder gebunden würde.“

„Vorausgesetzt“, sage ich, „dass wir nicht alle Pflanzen auf einmal verbrennen.“ Ich bin ziemlich stolz auf meinen Hinweis.

Mein Nachbar nickt, „da hast du natürlich völlig recht. Und du nennst da auch gleich einen Teil unseres Problems: Zum einen holen wir nämlich das Konzentrat abgestorbener Organismen aus dem Boden, das sich dort über viele Millionen Jahre abgelagert hat – und das ist natürlich viel, viel mehr CO2, als von den vorhandenen Pflanzen aufgenommen werden kann. Und zum anderen vernichten wir in riesigem Ausmaß die Wälder, reduzieren also noch die Menge der Pflanzen, die CO2 binden könnten.“

„Hmm“, ich wiege nachdenklich den Kopf hin und her, „hört sich nach einer blöden Situation an.“

„Kann man wohl sagen. Also, folgendes haben wir festgestellt: man kann schwerlich abstreiten, dass wir fossile Energieträger verbrennen. Daraus entsteht zwangsläufig CO2, kann man auch kaum was gegen sagen. Und wir verbrennen das Zeug in gigantischen Mengen – alles was wir finden können. Kann mal wohl auch nicht leugnen. Das CO2 geht in die Atmosphäre, wohin sonst? Und jetzt stellen sich Leute ernsthaft hin und sagen, dass der Mensch nichts mit dem Klimawandel zu tun hat. Hallo?“

Ich lasse mir das durch den Kopf gehen, dann fällt mir etwas ein: „Und wenn das CO2 in der Atmosphäre gar nichts macht? Vielleicht ist es gar kein … wie heißt das? Treibgas?“

„Du meinst Treibhausgas.“

„Genau.“

„Momentan wäre das vielleicht praktisch“, sagt mein Nachbar, „ist aber nicht so. Das ist überhaupt nicht strittig – obwohl es natürlich immer Leute gibt, die alles abstreiten. Aber wenn ich mich richtig erinnere, wäre auf unserem Planeten überhaupt nie Leben entstanden, wenn CO2 kein Treibhausgas wäre. Insofern wäre es also doch nicht so praktisch.“

„Schade“, meine ich. „Na, hätte ja sein können.“

„Was ich aber überhaupt nicht verstehe:“ meint mein Nachbar, „Warum sollte es von Bedeutung sein, ob der Mensch Schuld an der Klimakatastrophe ist?“ Er sieht mich fragend an.

„Na, wenn wir es nicht waren, brauchen wir auch nichts dagegen tun“, meine ich zweifelnd, „oder können es auch nicht.“

„Ach so, verstehe. Ja, ist ja klar, wenn wir es nicht waren, kümmert sich also irgendwer anders um die steigenden Meeresspiegel. Logisch.“

„Nee mein Lieber“, er lacht bitter, „wir sind in der Lage zu erkennen, was geschieht: Die Temperatur auf der Erde steigt. Das wird für die menschliche Zivilisation verheerende Folgen haben. Und zwar bald. Da ist es doch letzten Endes scheißegal, ob wir dafür verantwortlich sind oder nicht. Wenn wir die Folgen irgendwie in den Griff kriegen wollen, müssen wir was tun. Wir müssen alle Stellschrauben, auf die wir einwirken können in den grünen Bereich drehen. Punkt.“

Er schaut ins Leere, „Aber genug jetzt, sonst krieg‘ ich noch schlechte Laune.“

„Ist gut“, sage ich, „das muss ich sowieso erstmal sacken lassen. Wie isses, wollen wir nachher ein kleines Feuerchen machen? Ich hab‘ ein neues Weizenbier, sehr lecker.“

„Ein bisschen CO2 zurück in den Kreislauf geben? Warum nicht, aber nur ein kleines. Um acht?“

„Ist recht.“